
Die Egogeneration
Als ob wir es nicht längst schon wussten, die Jugendlichen von heute sind mehr selbstbezogen, als Generationen davor. Die Ego-Taktiker bewegt deshalb nur eine Frage: „Was bringt mir das?“ Unsere Väter präsentierten uns dagegen den alten Satz von John F. Kennedy: „Frage nicht, was Dein Land für dich tun kann, frage, was Du für dein Land tun kannst.“ Und weil in den USA keiner nachgefragt hatte, verloren am Ende tausende von amerikanischen Soldaten ihr junges Leben in den Reisfeldern Vietnams. Der Eintritt fürs Vaterland kann also das Leben kosten. Das hat sich bis heute herumgesprochen. Das schreckt ab. Da will nicht jeder dabei sein. Wenn Nervenkitzel, dann bitte nur im Sport- und Funbereich. Autorennen, Windsurfen, Paragliding, Bungeespringen. Risiko und Heldenpose. Hauptsache Spaß. Allgemeine Einsätze nur, wenn man selbst betroffen ist: bei Studiengebühren, Lehrermangel oder Bafögkürzungen, dann fliegt der Hintern aus der Kiste und die Straße bebt. Woher hat die Jugend das? Haben sie womöglich Recht? Haben wir Ihnen das so vorgelebt? Wir reden in einer Sprache, die sie nicht verstehen, interessieren uns auch nur für uns, arbeiten für die eigene Ich AG. Wir haben auf Wachstum und ein steigendes Aktiendepot gesetzt, am Kapitalmarkt spekuliert und die Prinzipien der Ellenbogengesellschaft vorexerziert. Sicherheit und Leistung. Dabei muss einiges über Bord gegangen sein. Die Ideale sind offenbar für die heutige Jugendgeneration unauffindbar. Global playing heißt, subventioniere deine eigene Wirtschaft, halte die Märkte geschlossen, lasse die Rollos runter, damit nicht das kontinentale Erwachen stattfindet. Während einige die Entsolidarisierung der Gesellschaft bekämpfen, bringen andere ihre Schäfchen ins Trockene. Privilegien und Steuerflucht, Abstauber und Absahner, unsaubere Abrechnungsmethoden werden als Kavaliersdelikte geadelt. Gesetze und Vorschriften sind für die anderen da und wer sei einhält ist selbst dran schuld. Der Ehrliche ist der Dumme. Wir wollten immer, dass die Jugend zu uns aufschaut. Dass sie uns bewundert, Respekt zollt, sich das Wichtigste abguckt und dann auf eigenen Füßen den eigenen Weg geht. Jeder für sich und Gott für uns alle, das ist das alte Prinzip, auch wenn es im Moment im wahrsten Sinne des Wortes aufgeweicht wird. Von den Alten lernen heißt siegen lernen. Jetzt haben die Jugendlichen alles schön 1:1 umgesetzt, zum Teil sogar perfektioniert. Ein neuer Individualismus blüht. Sie übertrumpfen und sie überholen uns. Sie haben das Große klein gemacht, die subjektive Sicht zum Thema erhoben. Zeitgeist statt Schöngeist. Ihre Philosophiethemen in den Jugend - Magazinen: „Bratoasen und Bulettenschmieden“ und Fragen, die noch nie einer gestellt hat: „Haben Möwen Mundgeruch?“ Müssen wir jetzt gegensteuern, weil uns ganz schummrig ist? Soll die Popgeneration Sandsäcke schleppen und Schlamm schippen, statt Wellenreiten auf den Malediven? Oder soll jeder die extremen Grunderfahrungen suchen, die er braucht? Man wird doch noch fragen dürfen?