
Auf ein Wort / Gerd Schinkel WDR
Ein Volk von Dieben
Bis letzte Woche noch dachte ich, wir Deutschen sind ein Volk. Da sind wir uns einig. Wir sind ein Volk der Dichter und Denker und  der Applaus hält, aber, dass darf jetzt nicht unter uns bleiben, wir sind ein Volk der Großdiebe. Keine Robin Hoods. Den Reichen nehmen und den Armen geben. Wir reden von Dingen, die man mal so in der Tasche verschwinden lassen kann und Waren, die sie nur mit dem LKW abfahren können. Sie meinen, der 1. April ist vorbei? Ja, das Scherzen ist einem vergangen. Durch die Sternwarte Lidl, die die schwarzen Löcher in den Kassen genau beobachtet kam heraus, dass in unserem schönen Land Vier Milliarden Euro geklaut werden. Jährlich. Da sind die Bonbons und das Kaugummi zum Probieren nicht eingerechnet. Bis jetzt dachte ich, die Mitarbeiter, die Frauen und Männer an den Kassen sind gegen die Diebe im eigenen Laden, weil am Ende die Inventurbilanz so schlecht ausfällt. Nein, die Mitarbeiter in Kaufhäusern, in Boutiquen, in Lebensmittel Läden, bei den Discountern, das sind Partner und Plünderer zugleich. Die Mitarbeiter, die eigentlich aufpassen sollen, klauen auch 40%, weiß der Einzelhandelsverband. Und wo bleiben die restlichen 20%? Die verschwinden beim Transport oder in den Bücherlisten, weil da schon mal was durcheinander kommt, mit Mein und Dein.
Das Dumme ist, wir alle, die Raben und die Täubchen müssen das alles bezahlen, denn der Diebstahl ist schon, wie der Kaufmann sagt: eingepreist.
Das ist noch nicht alles. Metalldiebe haben 2 Kilometer Leitplanke gestohlen. Die sollten noch montiert werden. 500 Stück, 4 Meter lang. Einfach so verschwunden. Dazu braucht es einen großen Lastwagen und einen Kran, der die 20 Tonnen auflädt. Keiner hat was gesehen? Hat der Schrotthändler mit verschlossenen Augen schon bezahlt? Nicht ungewöhnlich, in Oberhausen wurden vor 2 Jahren 660 Meter Eisenbahnschienen abgebaut und zum Schrotthändler gebracht. Das flog auf. Nicht erwischt wurden die Übeltäter, die an einem Tag in einem, Berliner Stellwerk die Kupferkabel stahlen und den Zugverkehr lahm legten. Kupfer gibt es heute nur zum Tagespreis, das wird wie Gold gehandelt. Haben sie womöglich Dachrinnen, Gasrohre aus Kupfer? Dann sollten sie vielleicht doch über die Anschaffung eines Hundes nachdenken. Was sagt ihnen in dem Zusammenhang der Begriff Grabräuber? Das verbinden sie mit der Antike, vielleicht mit Ägypten und den Pyramiden. Richtig. Von wegen Totenruhe. Nachts werden die Kupferabdeckungen aus den Holzkreuzen gerissen, Gräbereinfassungen, Inschriften, Vasen, Leuchten, alte Gießkannen, aus Zink, Messing, Bronze,  nichts ist mehr heilig.
Wenn man unter einem Zwang steht, etwas klauen zu müssen, dann bietet sich für Hobbykleptomanen doch genug an. Die Altreifen auf den wilden Deponien, der ausgemusterte Wäschetrockner, der Toaster im Wald, die Getränkedosen am Rhein, die Fahrradgerippe an jeder zweiten Laterne, jeder wäre froh, wenn das Zeug endlich seine Bestimmung beim Schrott -händler fände.
Müssen wir uns um den großen Pitter im Kölner Dom Sorgen machen? Die Glocke ist aus Bronze.
                                                                                                    Â