Korruption

So haben wir es gelernt: cremen und salben hilft allenthalben. Das darf man wörtlich nehmen angesichts der UV-Strahlen, das kann man in übertragenen Sinne auf Firmen und Anstalten anwenden, denn soviel Hand aufhalten war selten.

Nichts gegen die, die in der Fußgängerzone, den U-Bahneingängen, vor den Kirchen ihre Hand oder ihren Sammelbecher entgegenstrecken, hier sieht jeder was er gibt und was andere vor ihm gegeben haben. Die richtig großen Einstecker aber arbeiten im Verborgenen, lassen sich Provisionen auf Schweizer Nummernkonten transferieren und nennen Adresse, die lediglich Briefkästen auf den Antillen sind.

Sind wir auf dem Weg in eine Backschisch-Republik? Einiges spricht dafür. Soviel Korruption war selten: Kölner Müllfabrik, Münchner Stadion, Siemens weltweit, Herzklappen-Connection, Sonnenkönige und Günstlinge in Wolfsburg und anderswo. Schleichwerbung und korrupte Mitarbeiter wohin man blickt. Während die Wirtschaft lahmt, blüht das Gewerbe der Raffkes und Glücksritter. Eine neue Mitnahmementalität schmückt unser Alltagsleben. Von wegen Moral. Das ist ein Luxus, den wir uns schon lange nicht mehr leisten können. Nur einer zeigt wenig Humor und macht sich durch antizyklisches Verhalten wenig beliebt. Der Bundesfinanzminister Hans Eichel gefällt sich als Spielverderber. Er spart wo er kann, aber nicht an Anweisungen. Jetzt hat es den Zoll erwischt. Jene Männer und Frauen die Import und Export überwachen, Steuern und Sozialabgaben eintreiben und Schwarzarbeit bekämpfen, Deutschland liebstem Volkssport. Entsprechend hoch ist ihr Ansehen, wenn sie auf der Baustelle auftauchen. Da bittet man schon mal zum Gespräch auf eine Tasse Kaffee. So redet sich’s leichter, wie wir aus der allgemeinen Lebenserfahrung wissen. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Kein Wasser, keine Tässchen Tee, kein Kännchen Kaffee dürfen genommen werden, außer einem Schuldeingeständnis.

Wehret den Anfängen, kein Loyalitätskonflikt, keine Mauscheleien.

Bei den Personalräten in Bayern hat diese harte Linie, den weiß-blauen Beamtenzorn hochkochen lassen. Schließlich wird Grundsätzliches hier fast immer mit Weißbier besprochen. Arbeit soll effektiv sein und zwar mit Spaßfaktor. Nun will die freudlose Berliner Republik preußische Tugenden über das Land kippen und die Moralkeule schwingen. Bisher waren Kugelschreiber, Taschenkalender und Reklameartikel einfacher Art den Beamten als Zugabe gewährt. Nichts mehr von alledem. Weitere Verschärfungen sind zu befürchten. Bekommen alle Beamten des Zolls Thermoskannen und Teebeutel, dreilagiges Toilettenpapier ab Besoldungsgruppe A9, bundeseigene Erfrischungstücher, ein Standardschreibtset und eine Reisezahnbürste?

Hans Eichel hat die Lücke erkannt: wir brauchen Vorbilder. Und das sind nun mal nicht die Vorstände bei Banken und Automobilkonzernen, sondern Menschen wie Du und Ich, die Leute vom Zoll.

Die Gewerkschaft bellt, das sei absurd und weltfremd. Schließlich wäscht eine Hand die andere und kleine Gefälligkeiten machen das Leben lebenswert. Nun, gegen eine Tasse Kaffee ist eigentlich nichts einzuwenden, das könnte den müden Kontrollblick schärfen. Aber irgendeiner muss Eichel erzählt haben, dass alles, vom Dienstwagen bis zur Erotikreise irgendwann mit einer Tasse Kaffee angefangen hat.